Biodiesel im MBtrac verwenden? Einschränkungen?
#2

Hallo Chris,

Das hier in D erhältliche "Biodiesel" ist (ein) FAME.
FAME ist lediglich die internationale Abkürzung für über Alkohol veresterte Pflanzenöle (fatty acid methyl ester). Hier in D wird es auch oft als RME bezeichnet.

FAME ist nicht einfach das "Produkt aus Fettsäure und Methanol", sondern die Veresterung beider Substanzen.

"Biodiesel" ist eine irrtümliche und - wenn man die gesamte Energiebilanz betrachtet - eigentlich auch falsche Bezeichnung des aus Pflanzenöl hergestellten alternativen Treibstoffes. Es ist nicht einmal CO2-neutral.

Umgeesterte Pflanzenöle sind in Dieselmotoren,was den reinen Verbrennungsablauf angeht, wesentlich unproblematischer, als reine Pflanzenöle (PÖL). Allerdings bleiben einige zu berücksichtigende Faktoren:

1.) Kraftstoffleitungen bzw. alle Dichtungen im Kraftstoffsystem
FAME enthalten Bestandteile, die Kunststoffe quasi wie ein Lösungsmittel angreifen. Deshalb sind Kraftstoffleitungen aus Kunststoff (wie z.B. an MB-trac und Unimog) problematisch. Diese Leitungen sollten gegen FAME-taugliche Leitungen ausgetauscht werden. Es können im Einzelfall sogar Dichtungen im Kraftstoffsystem (ESP) zersetzt bzw. versprödet werden.

2.) Ölverdünnung
Mit zunehmender Baugröße von Motoren steigen (nichtlinear) die Spaltmaße, demzufolge erhöht sich die Passage von unverbranntem Kraftstoff (Kaltlaufphase, Teillastbetrieb) in das Motoröl.
Da FAME eine hohe, vom Motor nicht erreichte Verdampfungstemperatur besitzt, reichert es sich im Öl an.
Verbrauchtes Motorenöl seinerseits enthält Bestandteile, die mit Komponenten des Pflanzenöls chemisch reagieren und langkettige Molekülstrukturen bilden kann. (Polymerisation).
Da diese Reaktion relativ schlagartig einsetzt und das Produkt der Polymerisierung eine Art "Schleim" bis "Pudding" ist, ist ein kapitaler Motorschaden nur selten zu verhindern.
Da die Wahrscheinlichkeit der Polymerisation mit steigender Verschmutzung des Motorenöls steigt, werden die Ölwechselintervalle herabgesetzt.
Eine Reduzierung auf die Hälfte der Laufzeit wird empfohlen, es sollte jedoch eher die Einsatzart des Schleppers berücksichtigt werden.
Ein Schlepper, der nur kurz im Kaltlauf betrieben wird und dann im oberen Drittel seiner Leistung (Pflügen, Grubbern, etc.) gefordert wird kann längere Intervalle bekommen, als ein Schlepper auf Hackfruchtbetrieben, der nur die Spritze fährt.

3.) "Lebendkontaminierung"
Pflanzenöle sind nur begrenzt haltbar und können im Tank zur sog. "Dieselpest" führen, einer Bakterienbesiedelung, die aufwändige Reinigungsarbeiten nach sich siehen kann.

4.) Verharzung
Da FAME ungesättigte Fettsäuren enthält, neigt es bei Zutritt von Sauerstoff, diesen an sich zu binden und feste Substanzen zu bilden, die wie Harz oder "Abziehlack" aussehen.

5.) Schmierung der ESP
Kraftstoffgeschmierte Einspritzpumpen können im FAME-Betrieb einen erhöhten Verschleiß aufweisen. Ältere Reiheneinspritzpumpen sind davon weniger betroffen, als Verteilereinspritzpumpen. Aus diesem Grund bieten Hersteller von RME-freigegebenen Motoren diese oft mit fremdgeschmierten ESP's an.

6.) Besteuerung
Da FAME in wenigen Jahren bereits voll zu versteuern ist, ist der Kostenvorteil bereits bald vorbei.
Siehe Tabelle:
1.8.2006: 7,10 €cent
1.1.2008: 13,40 €cent
1.1.2009: 19,70 €cent
1.1.2010: 26,00 €cent
1.1.2011: 32,30 €cent
1.1.2012: 44,90 €cent

Was Du jetzt in Deinem konkreten Fall daraus machst, bleibt Deine Entscheidung. Es ist nie risikolos, RME zu fahren, es muss aber auch nichts passieren, allein empfehlen kann ich es Dir nicht.

Grüße

Holger

406.120 '72, 440.161 '75, 440.167 '83

Die 3 MBtrac-Grundsätze:
1.) Ein MBtrac ist zwar nicht alles, aber ohne MBtrac ist alles nichts!
woraus folgt:
2.) Ein Leben ohne MBtrac ist möglich - aber sinnlos...
doch zum Glück für die vielen Nicht MBtrac Besitzer:
3.) Nur wer einen MBtrac besitzt, weiß, was allen anderen fehlt...

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